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Unser Coach Tom Kasparetti im FuPa Interview: „Das Rosenheim-Modell: Eine Schwingtür, offen nach beiden Seiten“

Die Sechziger aus der Innstadt wollen nach der Corona-Krise noch stärker auf den Nachwuchs setzen +++ Kooperation mit Unterhaching spielt eine zentrale Rolle 

Was haben Weltmeister und Champions League-Sieger Bastian Schweinsteiger, Nationalspieler Julian Weigl und Ex-Bundesligaspieler Thomas Broich gemeinsam? Sie alle bekamen ihr fußballerisches Rüstzeug beim TSV 1860 Rosenheim mit auf den Weg. Die Sechziger sind in Südbayern seit jeher für ihre erstklassige Nachwuchs- und Jugendarbeit bekannt. Und das soll auch in Zukunft so bleiben. Bedingt durch die Corona-Krise lautet der Slogan bei den Rosenheimern: “Back to the roots” – auf neuen, innovativen Wegen. Mehr denn je soll auf den eigenen Nachwuchs gesetzt werden. Warum dabei die Kooperation mit der SpVgg Unterhaching eine ganz zentrale Rolle spielt, das erklärt Chefcoach Thomas Kasparetti im Gespräch mit FuPa.

FuPa: Thomas, die Regionalliga Bayern befindet sich gerade im XXL-Winterschlaf, ein Ende ist nicht in Sicht. Was ist am schwierigsten in der momentanen Situation?
Thomas Kasparetti (37): Die Salamitaktik. Der Lockdown wird immer wieder nach hinten geschoben, immer wieder. Nicht zu wissen, wann wir wieder starten können, keinen Fixpunkt zu haben, ist einfach nur demotivierend. Das ist unser aller blinder Fleck im Moment.

Und die permanenten, einsamen Läufe lassen wohl jeden Kicker irgendwann ermüden…
Klar. Mit Fitnesstraining kann man schon mal ein paar Wochen überbrücken, vielleicht auch Monate. Aber jetzt sind bald drei Monate ohne jeglichen direkten Kontakt rum, und ein Ende ist nicht absehbar. Da verlierst du die Lust! Wir sind halt eben keine Individualsportler. Wir brauchen das Miteinander, die Kabine. Die Jungs sind niedergeschlagen, das registriere ich schon. 

Vor Weihnachten hat der Bayerische Fußball-Verband (BFV) einen Winterfahrplan herausgegeben, der unter anderem vorsah, dass Ligapokal-Partien schon am 6. Februar stattfinden hätten sollen. Inzwischen, das wissen wir alle, wurden die Pläne längst wieder einkassiert. War es weltfremd, so etwas zu veröffentlichen?
Ehrlich gesagt haben wir damals diese Ankündigung, Anfang Februar starten zu wollen, mit einem Schmunzeln zur Kenntnis genommen. Aber was soll der BFV auch machen? Es wird vom Verband erwartet, dass er einen verbindlichen Starttermin vorgibt. Brutal schwierig im Moment. Wie du’s machst, machst es verkehrt. 

War 2020 ein verlorenes Jahr? 
Ganz so düster würde ich es nicht sehen. Ich glaube, wir alle konnten trotzdem brutal viel lernen. Wir mussten fast täglich mit neuen Rahmenbedingungen zurechtkommen. Das verlangte nach viel Improvisationskunst und schnelle Entscheidungen waren gefragt. 

Aus Sicht des Regionalliga-Teams des TSV 1860 Rosenheim: Ihr erntet meistens gute Kritiken  für einen erfrischenden Spielstil, aber der Herbst war für eure junge Truppe dennoch ernüchternd. Stagniert die Entwicklung derzeit?
Im Spätsommer in den Ligapokal-Begegnungen waren wir voll im Soll. Aber dann setzte es in der Liga drei Niederlagen. Nur gegen das Top-Team aus Bayreuth haben wir unsere Leistung gebracht. Gegen Schalding und Heimstetten haben wir hingegen nicht viel auf den Platz bekommen. Und auch wenn es eine Floskel ist: Die Tabelle ist der Spiegel der Leistungen. Und wenn man nur auf Platz 15 steht, kann es nicht gut gewesen sein. 

Flattern bei dem ein oder anderen jungen Akteur die Nerven im Tabellenkeller?
Wir sind sehr bemüht, den Jungs nicht zu viel Druck aufzubauen. Ganz bewusst herrscht bei uns eine Fehlerkultur. Die jungen Spieler sollen keine Angst davor haben, etwas falsch zu machen. Aber frisch, frei, fröhlich von der Leber weg spielen und Abstiegskampf, das passt nicht so recht zusammen. Das wird der große Spagat werden in der Restsaison. Wir wollen jungen Spielern eine Bühne bieten, um sich entwickeln zu können. Aber natürlich soll das weiterhin in der Regionalliga sein. Eines ist allerdings nach den drei Niederlagen im Herbst klar: Jetzt wird’s eng für uns!

Im Kampf um den Klassenerhalt ist oft Erfahrung Trumpf. Sieht man im Frühjahr in Rosenheim plötzlich fünf neue, gestandene Akteure auflaufen oder bleibt es bei der Philosophie, auf regionale Talente zu setzen?
Wir haben uns natürlich auch jetzt während der Pandemie Gedanken gemacht, und wir werden unsere Philosophie nicht ändern. Wir wollen sogar noch stärker auf junge Spieler setzen. Von zentraler Bedeutung ist dabei unsere Kooperation mit der SpVgg Unterhaching. 

Kannst du kurz beschreiben, wie diese Kooperation konkret aussieht?
Das läuft wirklich sehr gut. Wir fühlen uns in Unterhaching immer willkommen. Ich als Trainer bin zum Beispiel zweimal pro Woche in Haching und darf dort auch auf den Trainingsplatz, um mich mit Arie van Lent auszutauschen. Darüber hinaus finden immer wieder konstruktive Gespräche mit Claus Schromm (Sportlicher Leiter, Anm.d.Red.) und Robert Lechleiter (Co-Trainer der 1. Mannschaft, Anm.d.Red.) statt. 

Ihr profitiert auch davon, dass immer wieder Hachinger Spieler bei euch aufschlagen, um Spielpraxis zu sammeln. Lucas Markert war im Herbst so ein Beispiel.
Das ganze Konzept soll eine Art Schwingtür sein, die sich nach beiden Seiten öffnen lässt. Christoph Ehrlich und Niclas Anspach wären zwei weitere Beispiele. Zum einen können die Jungs aus Haching in der Regionalliga Wettkampfhärte sammeln, zum anderen soll es aber natürlich auch ein Anreiz für unsere jungen Spieler hier in Rosenheim sein. Sie können sich mit starken Leistungen für den Profibereich empfehlen.

Irgendwann im Frühjahr wird es hoffentlich wieder grünes Licht für den Amateurfußball geben. Welche Schwierigkeiten bzw. Herausforderungen siehst du allgemein auf euch zukommen?
Ich gehe jetzt mal davon aus, dass wir vielleicht Ende März wieder starten können. Dann hätten die Jungs ganze fünf Monate keinerlei fußballspezifische Sachen gemacht. Das hat’s noch nie gegeben, das ist völlig neu. Wir werden erst wieder Schritt für Schritt grundlegende Sachen trainieren müssen. Dabei werden wir enorm großen Wert auf Verletzungsprophylaxe legen. Ich hoffe nicht, dass das dicke Ende im Sommer kommt und wir massiv mit Verletzungen zu kämpfen haben werden. Einfach weil die Jungs es nicht mehr gewohnt sind, Fußball zu spielen und deshalb anfälliger sind. Es ist eben etwas ganz anderes, ob ich einen Ausdauerlauf absolviere oder Zweikämpfe bestreite. 

Zum Schluss eine noch eine persönliche Frage: Bleibst du in Rosenheim, oder hast du etwas anderes vor?
Mein Vertrag läuft im Sommer aus. Ich habe mich von meinem Arbeitgeber, den Münchner Stadtwerken, zwei Jahre freistellen lassen, um mich ganz auf die Aufgabe im Fußball einzulassen. Ich fühle mich wohl in Rosenheim, wenn es die Umstände erlauben, werden ich mich mit den Verantwortlichen zu einem Gespräch treffen, wo dann die Zukunftsfrage thematisiert wird. Ich für meinen Teil kann sagen: Mir macht es großen Spaß, vor allem auch die Kooperation mit Haching. Da ist längst noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Ich habe mit den Sechzigern noch viel vor. 

Das Interview führte Mathias Willmerdinger von FuPa

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